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Chefarzt als Rebell wider Willen (21.04.2009)

Kai Magnusson will nicht ruhig werden. Auch nicht bescheiden oder zurückhaltend. Wenn dem Mediziner etwas nicht passt, sagt er es. Zuweilen ziemlich laut. Dass er kein Freund der leisen Töne ist, brachte Magnusson in seiner Dienststelle in Riesa eine Menge Ärger ein.

Der gebürtige Hamburger mit dem sonnengebräunten Gesicht und den Lachfalten um die Augen lümmelt auf dem Redaktionsstuhl der SZ in Riesa. Lässig im Shirt und in ausgewaschener Jeans streckt er die Beine von sich. Es ist spät, der 46-Jährige kommt gerade von einer Demonstration vor dem Krankenhaus, er wirkt etwas k.o. „Aber ich habe Zeit, ich bin ja arbeitslos“, sagt er. Was humorig klingen soll, hört sich bitterer an, als Magnusson das möchte.

Dr. Kai Magnusson, Kardiologe und Internist, ist verärgert. Der Grund ist sein Rausschmiss aus dem Krankenhaus nach nur drei Monaten Dienstzeit und das Hausverbot, das ihm die Klinik erteilte. Das geschah am 31. März. Am Folgetag hatte der Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Meißens Landrat Arndt Steinbach (CDU) die Entlassung bestätigt. Wegen Vertrauensverlust, hieß es. Die Klinikleitung sagte auch, dass Magnusson immer neue Forderungen für seinen Arbeitsplatz, das Herzkatheterlabor, gestellt habe. Magnusson galt schnell als ein Querulant im weißen Kittel.

Dieser Chefarzt sei auf dem besten Wege gewesen, das Vertrauen der Patienten und den guten Ruf der Ärzte wie Schwestern zu zerstören, so Landrat Steinbach. Der Anlass war ein Beitrag in der Sächsischen Zeitung Riesa, der aus einem Brief Magnussons an die Klinikgeschäftsführung zitiert. In diesem Schreiben spricht der Chefarzt Personalmangel an und dass wegen der verschobenen Anstellung einer weiteren Spezialistin die geplante Arbeit am neuen, zwei Millionen Euro teuren Linksherzkathetermessplatz nicht wie vorgesehen starten könne. Magnusson setzt der Geschäftsführung die Pistole auf die Brust: „Daher werden wir, solange dieser Zustand besteht, leider nur vormittags Katheteruntersuchungen anbieten können, da das Ziehen von Schleusen und die Versorgung von Komplikationen im Dienst nicht mehr möglich sein wird. Ebenfalls können wir die Notfallversorgung aus Sicherheitsgründen für die Patienten derzeit nicht anbieten.“

Klinik reagiert mit Härte

Kai Magnusson hatte den Bogen überspannt. Wer seinen Arbeitgeber öffentlich kritisiert, muss sich über den Vorwurf der Illoyalität nicht wundern. „Bei einem so tiefen Vertrauensbruch gibt es keine Alternative“, sagt Landrat Arndt Steinbach. In der Klinik war man pikiert und antwortete mit Härte: Der Chefarzt musste innerhalb von zwei Stunden seinen Arbeitsplatz räumen. Beaufsichtigt wurde die Aktion vom Syndikusanwalt des Klinikums, Andreas Jung, der das Büro des Chefarztes besetzt hatte. Außer Magnusson wurde auch dessen Lebensgefährtin Adriane Kania, die Leiterin des Herzkatheterlabors, entlassen.

Was folgte, hatte die Klinikleitung wohl nicht erwartet. Eine Protestwelle rollte durch Riesa. Das Hausverbot des Mediziners war so etwas wie der Tropfen, der das Fass der Empörung überlaufen ließ. Seit Wochen war immer wieder Kritik an der Arbeit von Geschäftsführer Markus Funk zu hören, der vor gut einem Jahr vom Krankenhaus Aue nach Riesa gewechselt war. Das Personal sei eingeschüchtert, hieß es. Es herrsche eine Atmosphäre der Angst. Dubiose Entlassungen habe es gegeben. Getuschelt wurde davon in den Büros. Laut sagte das niemand. Weder die Angestellten, noch die Stadtvertreter. Beweise für diese Behauptungen gab es nicht. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert das Betriebsklima. Es gebe Überlastungsanzeigen von Ärzten. Die Entlohnung liege zehn Prozent unter der in anderen sächsischen Krankenhäusern.

Magnussons öffentliche Klage über die personellen Zustände brach den Bann. Der bis dahin noch kaum bekannte Chefarzt wurde in Riesa Stadtgespräch. Menschen hielten Magnusson auf der Straße an. Sympathiebekundungen flatterten per Leserbrief zu Dutzenden in die SZ-Redaktion. Schulterklopfen gab es für Magnusson, wohin er kam. Im Arbeitsamt, wo er sich melden musste, wurde er mit großem Hallo begrüßt. Das Fernsehen drehte eine kurze Reportage. „Ich und meine Partnerin mussten an der Elbe langgehen und bedröppelt schauen. Das war dann schon ein bisschen merkwürdig“, sagt er.

Stadträte forderten rückhaltlose Aufklärung von Klinikleitung und Landrat über die Vorgänge im Krankenhaus. Während einer Protestkundgebung vor der Klinik skandierten rund 150 Demonstranten: „Magnusson rein, Funk raus“.

„Ich komme mir gerade vor wie der Brad Pitt von Riesa“, sagt der Mediziner. Im Dezember war er in die Stadt geholt worden, um das neue Herzkatheterlabor zu leiten. Er kam vom zweitgrößten Düsseldorfer Krankenhaus, wo er als Oberarzt beschäftigt war. Zuvor hatte er in Indien, im Irak und in den 90er-Jahren im kriegsgeplagten Ruanda gearbeitet.

Der Mediziner, der im Gespräch schnell beim Du ist, ist kein Philosoph und kein Revolutionär, schon gar kein medienerfahrener. Er ist Arzt und Sportler, fährt gern Wakeboard, eine Art Wasserski. Viel Rummel ist nicht Magnussons Sache. Lieber schmust er abends auf dem Sofa mit seinem Schatz und guckt Sendungen wie „Sex in the City“.

Rauswurf kam unerwartet

„Wissen Sie, ich glaube an die heile Welt, ich habe einen Hang zum Spießertum mit Kindern, Haus, Hof, Auto, später vielen Enkeln. Und ich bin verdammt noch mal gern Arzt.“ Der Rauswurf aus dem Riesaer Klinikum wurmt ihn sehr. Er hatte wegen der Veröffentlichung seiner Meinung zur Personalpolitik des Krankenhauses zwar mit einigem Unmut im Hause gerechnet, nicht aber damit, auf die Straße zu fliegen. Das ist für ihn eine Schmach. Denn was er nie wollte, sagt er, ist, irgendjemanden und schon gar nicht den Ruf der Klinik zu beschädigen. Wenn er dürfte, würde er sogar dort wieder arbeiten. Das Zentrum zu leiten, war für ihn eine Herausforderung.

Jetzt arbeiten dort vorübergehend Mediziner aus Leipzig mit. „Wir können den Linksherzkathetermessplatz und das Labor komplett betreiben und die Versorgung aller Patienten lückenlos abdecken“, sagt Gerhard Schuler, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin.

Er sei auch früher nie leise gewesen, sagt Magnusson, habe nie mit seiner Meinung hinterm Berg gehalten. „Mein Chef in Düsseldorf hat bei seinem Abschied mal gesagt, dass er es genau deswegen gehasst hat, mit mir Frühbesprechung zu machen. Aber er sagte auch, dass ich zuweilen recht hatte.“ Darauf gibt Magnusson einiges. Er bedauert nicht eine Forderung, die er im Riesaer Klinikum für das neue Katheterlabor gestellt hat.

Der Ex-Chefarzt, der nun bald seine Koffer in Riesa packen wird, um anderswo eine neue Stelle anzutreten, redet sich seine Lage zuweilen schön. Erstens könne er jetzt viel freie Zeit genießen, ins Erzgebirge fahren. Zweitens habe die ganze Sache ja auch was gebracht.

Mehr Ärzte zugesagt

Der öffentliche Rabatz führte dazu, dass die Geschäftsführung der Klinik jetzt unter Beobachtung steht. Sie bedauert „gemachte Fehler“ und versichert, alles dafür zu tun, „dass sich Patienten wohlfühlen und Mitarbeiter motiviert ihrer oftmals schweren Arbeit nachgehen“. Roland Zippel, der Ärztliche Direktor des Hauses, kündigte an, dass in den kommenden Monaten zusätzliche Ärzte eingestellt werden sollen.

Mitte Juni – nach den Kommunalwahlen – will der Landrat die Lage im Krankenhaus überprüfen. Vielleicht führt das in der Chefetage dazu, dass man nicht gleich mit dem großen Prügel kommt, wenn das Personal Kritik übt und Forderungen stellt.

Der Fall Magnusson ist über Riesas Grenzen hinaus bekannt geworden. Ärzte aus ganz Deutschland schreiben ihm. Unter anderem davon, Deutschland den Rücken zu kehren. Andere hätten aus Frust über die Gesundheitspolitik ihren Beruf an den Nagel gehängt. Magnusson fragt sich, was hier los ist, ob das System nicht längst außer Kontrolle geraten sei. „Auch Adriane und ich haben in der letzten Woche darüber nachgedacht, Deutschland zu verlassen...“

Der Ex-Chefarzt reibt sich müde die Stirn, schraubt sich aus dem Redaktionsstuhl hoch. Es ist spät geworden. Er will nach Hause.


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