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MVZ: Auf dem Weg zur integrierten Versorgung (06.05.2009)

Auch die Kooperationsmöglichkeiten für Ärzte waren durch die Berufsordnung erheblich eingeschränkt. Jetzt ist die Zusammenarbeit sowohl unter Ärzten als auch mit anderen Berufsgruppen politisch gewollt: Als eine neue Form ärztlicher Zusammenarbeit schuf der Gesetzgeber die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ).

MVZ als neues Kooperationsmodell
Wie in einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis arbeiten in einem Medizinischen Versorgungszentrum niedergelassene Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam unter einem Dach. Doch in einem MVZ können auch angestellte Ärzte praktizieren, und in ein solches Zentrum können zudem noch Vertreter anderer Berufe wie Psychotherapeuten oder Physiotherapeuten als Leistungserbringer integriert werden.

„Wir wollten heraus aus den bisherigen starren Regelungen. Wir haben so freiere Möglichkeiten, auch mit nicht-ärztlichen Partnern im Gesundheitswesen zusammenzuarbeiten. So haben wir einen häuslichen Pflegedienst in unser Zentrum mit aufgenommen“, beschreibt der Kieler Internist Dr. med. Tilman Schlegelberger seine Motivation, ein MVZ zu gründen.

Für den Westen was Neues
Für den Westen der Bundesrepublik, also für die alten Bundesländer, stellen die MVZ eine neue Organisationsform der ärztlichen Tätigkeit dar, für den Osten des Landes keineswegs: Vorläufer der heutigen MVZ bilden die Polikliniken der ehemaligen DDR, die auf die Idee von Christoph Wilhelm Hufeland im 17. Jahrhundert zurückgehen. Sie waren eine tragende Säule der ambulanten Versorgung zwischen Elbe und Oder. Dort praktizierten mehrere angestellte Ärzte gemeinsam unter einem Dach. Nach der Wiedervereinigung wurden die weitaus meisten Polikliniken in Arztpraxen nach dem westdeutschen Vertragsarztsystem umstrukturiert. Einige Polikliniken blieben jedoch bestehen und konnten auf Grund einer Übergangsregelung weiterbetrieben werden. Eines dieser Zentren, die aus einer Poliklinik hervorgegangen sind, ist das Medizinische Zentrum Lübbenau.

Was der DDR recht und billig war, wurde inzwischen bundesdeutsches Recht: Mit der Gesundheitsreform 2004 wurden Medizinische Versorgungszentren auf eine neue juristische Grundlage gestellt.

Alles was Recht ist
Paragraph 95 SGB V beschreibt ein Medizinisches Versorgungszentrum folgendermaßen:
Medizinische Versorgungszentren sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Die medizinischen Versorgungszentren können sich aller zugelassenen Organisationsformen bedienen; sie können von den Leistungserbringern, die aufgrund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnehmen, gegründet werden. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).

Als Organisationsformen möglich sind:

* Personengesellschaften (GbR oder Partnerschaftsgesellschaft)
* Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG)
* Kapitalgesellschaften wie GmbH oder AG

Die Zentren ähneln fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen, die ihre Zulassung im Rahmen der vertragsärztlichen Bedarfsplanung erhalten. Medizinische Versorgungszentren können frei werdende KV-Sitze aufkaufen und sich so erweitern. Niedergelassene Vertragsärzte können jedoch auch umgekehrt ihre Praxis in ein MVZ integrieren, dort weiter als Freiberufler tätig sein oder als Angestellte arbeiten (§ 103 Abs. 4a,
SGB V). (Mehr Informationen zu den rechtlichen Aspekten der MVZ liefert der Beitrag in der Rubrik Medizin&Recht.)

Zwei Wege zum MVZ
Der Anstoß, ein MVZ zu bilden, kann von zwei Seiten kommen:
Zum einen können Krankenhäuser Leistungen ausgliedern und auf diese Weise einen ambulanten Versorgungszweig aufbauen. So können einzelne Versorgungsbereiche wie Röntgen, Anästhesie oder Endoskopie in ein MVZ ausgegliedert werden. Da ein solches Zentrum nicht auf eine ambulante Versorgung beschränkt ist, kann es sowohl von niedergelassenen Ärzten als auch vom Krankenhaus genutzt werden. Kleine Krankenhäuser, die meist ums Überleben kämpfen, werden versuchen, mit der Gründung eines MVZ ihre Probleme zu lösen.

Zum anderen können aber auch niedergelassene Ärzte statt einer Gemeinschaftspraxis oder eines Praxisnetzes ein MVZ gründen. Doch nicht nur Ärzte, auch andere Teilnehmer an der medizinischen Versorgung wie Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Apotheker oder Pflegedienste können die Zulassung eines MVZ beantragen.

Ein Medizinisches Versorgungszentrum muss jedoch unter ärztlicher Leitung stehen. Dabei können entweder mehrere Ärzte diese Leitung kollektiv ausüben oder ein Vertragsarzt allein. Gleichwohl kann die kaufmännische Leitung des Zentrums einem nicht-ärztlichen Geschäftsführer obliegen.

Win-Win für Arzt und Patient?
Der Patient profitiert von einem MVZ, weil er mit einem Weg gleich mehrere Fachärzte aufsuchen kann. Seine behandelnden Ärzte können sich rasch besprechen und die Therapie abstimmen, Doppeluntersuchungen fallen weg. Laboruntersuchungen werden gleich im Haus vorgenommen, der Patient erfährt rasch seine Befunde, eine Behandlung kann schnell eingeleitet werden. Die gemeinsame Nutzung von Einrichtung, Labor und Medizintechnik, sowie die Koordination von Mitarbeitern sparen Zeit und Geld. Viele Handlungsabläufe können effektiver gestaltet werden. Alle Ärzte eines MVZ greifen auf dieselben Patientendaten zurück, Fachkollegen können in die laufende Sprechstunde einbezogen werden. So kann sich ein Hausarzt ständig Feedback von anderen im Versorgungszentrum tätigen Fachärzten holen und umgekehrt.

Viele Ärzte sind zudem froh, sich auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren zu können und von Verwaltungs- und Organisationsaufgaben entlastet zu sein, wenn diese Aufgaben in den Händen eines kaufmännischen Geschäftsführers liegen. Ein professionelles Management sei bei größeren Einheiten äußerst wichtig und werde oft unterschätzt, betont der Gesundheitsökonom Dr. Günter Neubauer.

Als angestellter Arzt praktizieren
Für junge Ärztinnen und Ärzte, aber auch für Wiedereinsteiger nach einer Familienphase bieten Medizinische Versorgungszentren ein interessantes Arbeitsmodell. Haben sie doch die Möglichkeit als angestellte Ärzte in einem MVZ in der ambulanten Patientenversorgung zu arbeiten, ohne sich in das wirtschaftliche Risiko einer Praxisgründung zu stürzen. In einem MVZ finden sie Praxis, Praxisausstattung sowie ein Mitarbeiterteam bereits vor. Zudem sieht das Konzept eines MVZ auch eine Teilzeittätigkeit vor.

Dr. med. Maria-Susanne Barz vom Medizinischen Zentrum Lübbenau schätzt es, gemeinsam mit Kollegen ihre Patienten zu betreuen sowie als angestellte Ärztin von Einkauf, Versicherungswesen und Personalverträgen weitgehend entlastet zu sein. „Wir sind in unseren Praxen betriebswirtschaftlich voll verantwortlich, aber dennoch eingebettet in eine größere Struktur. Unser Erfolg schlägt sich im Ansehen des gesamten Zentrums nieder, aber auch in der leistungsbezogenen Vergütung“, fügt die Gynäkologin hinzu.

Die Kehrseite der MVZ
Zurzeit wird Sinn und Nutzen der MVZ kontrovers diskutiert: Gesetzgeber und Krankenkassen versprechen sich durch ein Bündeln von Leistungen Kostenersparnisse, doch Praxisärzten erwächst eine neue Konkurrenz.

Besonders Fachärzte würden die Gründung neuer MVZ durch andere Betreiber wie Krankenhäuser fürchten, bestätigt Dr. med. Max Kaplan, Vizepräsident der Bayerischen Ärztekammer. Zudem werde sich das Bild des Arztberufs durch die neuen Strukturen wandeln, wenn ökonomische Gesichtspunkte zunehmend an Gewicht gewinnen, befürchtet der Standespolitiker Dr. med. Jürgen Bausch von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen.

Auch für Patienten werde sich durch die Zentralisierung im Gesundheitswesen viel ändern. Keineswegs werden die Patienten immer kurze Wege haben, sondern gerade, wenn sie auf dem Land wohnen, weite Anreisen auf sich nehmen müssen. Auch das bisher in Deutschland so hoch geschätzte Prinzip, sich seinen Arzt frei wählen

Zögerliche Startphase
Der große Ansturm blieb aus; die neue Kooperationsform kommt nur langsam in Gang. Seit In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform im Januar 2004 wurden etwa 120 MVZ mit unterschiedlichen Facharztkombinationen zugelassen. (Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung). In den neuen Bundesländern bestehen zudem 92 Medizinische Zentren, hervorgegangen aus früheren Polikliniken. Momentan überwiegt bei vielen Ärzten noch die Unsicherheit, zumal einige rechtliche und abrechnungstechnische Fragen noch nicht geklärt sind. Doch langfristig werden Kooperationen immer größeres Gewicht in der ambulanten Versorgung bekommen.


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