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Karriere: Den Chefcode knacken (08.05.2009)

Wer als Arzt noch am Anfang des Berufslebens steht oder erst wenige Sprossen auf der Karriereleiter erklommen hat, sollte sich also bemühen, eine gute Beziehung zum Stationsarzt oder zum Chefarzt aufzubauen. Die beste Grundlage ist gegenseitige Sympathie. Hierbei kann man Glück haben – oder nicht. Aber auch wenn die Chemie nicht stimmt, sollte man den Versuch wagen, eine tragbare Beziehung herzustellen. „Dies kann aber nur dann gelingen, wenn man lernt, den Chef zu verstehen“, meint Prof. Dr. Jürgen Lürssen, der an der Fachhochschule in Lüneburg Betriebswirtschaftslehre und Marketing lehrt.


Foto: Eberhard Hahne



Das Verständnis für die Denk- und Verhaltensweisen des Chefs erschließen sich leichter, wenn man einigen Fragen auf den Grund geht: Welche beruflichen Ziele und Prioritäten hat der Chef? Diese sind leicht zu ermitteln, etwa durch Gespräche mit dem Kollegen, mit dem Chef oder anhand seiner Berufsbiografie. Der Chef wird es schätzen, wenn er Mitarbeiter hat, die ihn seinen Zielen ein Stück näher bringen. Welche Erwartungen hat er an seine Mitarbeiter?

Das ist herauszufinden, indem man den Chef um Feedback bittet, sein Verhalten beobachtet, sich in seine Lage versetzt und sich dann auf ihn einstellt. Was versteht er persönlich unter guten Leistungen? Das ist oft schwierig zu ermitteln, denn jeder Vorgesetzte hat seine eigenen Vorstellungen, die er meist nicht offen kundtut. Es kann sogar sein, dass sein Leistungsbegriff von offiziellen Standards völlig abweicht oder unangenehme Folgen hat, etwa weil er ständige Abrufbereitschaft oder Überstunden erwartet. Wie äußert der Chef Kritik? Jeder Chef hat seine eigene Art, Kritik zu üben. Er benutzt vielleicht typische Redewendungen oder Umschreibungen.

Es empfiehlt sich, genau hinzuhören, um den Code des Chefs zu knacken. Was ist von mündlichen Zusagen zu halten? Lürssen rät, solche immer mit Vorsicht zu genießen. Sie müssen richtig interpretiert werden. Vor allem sollte man die Absicht hinterfragen, die der Chef damit verfolgt. Auch im Arbeitsalltag gibt es viele Details, die zu beachten sind. Wie will der Chef informiert werden? Wie entscheidet er? Wie delegiert er? Das alles gilt es durch ein wenig Detektivarbeit herauszufinden. Jeder Chef wird zugänglich, wenn man ihm zuarbeitet und sich seinem Arbeitsstil anpasst – soweit es die Dienstzeiten erlauben. Vorgesetzte schätzen es, wenn sie sich auf ihre Mitarbeiter verlassen können. Sie wollen auf dem Laufenden gehalten und rechtzeitig über Probleme informiert werden. Chefs fühlen sich entlastet, wenn Mitarbeiter sich auf eigene Initiative hin Aufgaben suchen, gute Vorschläge machen und ihnen unangenehme Aufgaben abnehmen. Förderlich für eine gute Beziehung sind persönliche Kontakte, die sich etwa bei Fortbildungsveranstaltungen, Dienstreisen, privaten Besuchen oder beim gemeinsamen Sport ergeben.

Doch Vorsicht: Zu viel falsch verstandene Vertrautheit kann schaden. „In Gesprächen mit dem Chef nie persönliche Probleme ausplaudern oder über Kollegen herziehen“, warnt Lürssen. Unklug ist es auch, mit dem guten Verhältnis zum Chef zu prahlen oder offen zu demonstrieren. Das macht die Kollegen misstrauisch und neidisch, und der Chef lässt einen vielleicht fallen, weil er sich keine „Vetternwirtschaft“ nachsagen lassen will.

Und: „Viele Vorgesetzte sind zwar für Schmeicheleien empfänglich“, sagt Prof. Dr. Oswald Neuberger, der an der Universität Augsburg Personalwesen lehrt. Das heiße aber nicht, dass man mit übertriebenem Einschmeicheln weiterkomme. Vor Abstürzen bewahrt man sich nur, indem man professionell und loyal zuarbeitet, aber innerlich unabhängig bleibt, Distanz wahrt und sich auch bei anderen Vorgesetzten profiliert.

Dr. phil. Marion Sonnenmoser

Deutsches Ärzteblatt 101


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