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Durch Palliativmedizin zum Sterben verurteilt? (08.09.2009)

Um nicht willkürlich zu verfahren, sich in strafrechtliche Bereiche zu begeben und Orientierungspunkte zu haben, wie man Todkranke erkennen kann und wie man mit ihnen und ihren Angehörigen umgehen soll, sind Schulungen und Richtlinien für die konkrete Praxis natürlich erwünscht. Sie geben dem medizinischen Personal Sicherheit und Hinweise, worauf sie achten sollen, während sie dem Sterbenden helfen können, möglichst würdevoll und ohne Qualen aus dem Leben zu geben.

Eine solche Richtlinie ist der 2000 von der Royal University Liverpool und vom [extern] Marie Curie Palliative Care Institute zunächst für an Krebs erkrankte Patienten entwickelte [extern] Liverpool Care Pathway for the Dying Patient (LCP), der 2004 von der Gesundheitsbehörde NHS und 2006 vom Gesundheitsministerium allgemein für die Palliativmedizin empfohlen wurde und mittlerweile in Großbritannien (und einigen anderen Ländern) in Hunderten von Krankenhäusern, Hospizen und Pflegeheimen angewendet wird.

Der LCP geht davon aus, dass das medizinische Personal, das einen Patienten betreut, anhand von Zeichen feststellt, dass er bald sterben wird. Um den LCP einzuleiten, müssen alle, inklusive einem leitenden Arzt, übereinstimmen, dass es sich um einen unheilbaren Menschen handelt, der kurz vor seinem Tod steht. Dann geht es nicht mehr darum, ihn therapeutisch zu behandeln, sondern die Verabreichung von \"unnötigen\" Infusionen und Medikamenten einzustellen, aber dafür die Schmerzen, Übelkeit, Atemnot und anderen Symptome, die beim Sterben auftreten können, zu lindern. Mitunter werden Patienten dauerhaft sediert, bis sie sterben.

Um zu erkennen, wer todkrank ist, gibt es eine Checkliste. Das Palliativzentrum am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg, das 2007 die erste Einrichtung war, die den LCP in Deutschland eingeführt hat, [extern] nennt folgende Hinweise für den nahenden Tod:
* zunehmende Müdigkeit und Teilnahmslosigkeit
* längere Schlafphasen bis hin zum Koma
* Reduktion von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
* Rückgang der Urinproduktion
* kalte Arme, Hände, Füße
* Marmorierung der Haut
* schwacher Puls und Blutdruckabfall
* veränderter Atemrhythmus
* präfinales Rasseln

Der Ansatz ist lobenswert, heißt es in einem Brief von britischen Ärzten an den [extern] Telegraph, aber als allgemeine Richtlinie könne der LCP doch auch gefährlich sein. Gerade die Diagnose, dass ein Mensch bald sterben wird, sei eine \"ungenaue Wissenschaft\". Manche der genannten Symptome könnten auch durch andere medizinische Probleme verursacht werden, warnen sie. Die mit dem LCP eingeleiteten Maßnahmen, Einstellung der Medikation und Sedierung, könnten die Anzeichen überdecken, die darauf hinweisen, dass es einem Patienten wieder besser geht, der dann nur noch als vermeintlich Todgeweihter behandelt wird. Dann würde es sich um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung handeln, so dass Patienten vorzeitig sterben müssen.

Es könnte aber nicht nur die Diagnose bei dem allgemeinen Schema falsch sein, die Experten sprechen auch davon, dass es zu einer \"nationalen Krise\" führen könne, wenn Angehörige und Freunde des Patienten beobachten, wie dessen Behandlung eingestellt wird, weil er nur noch als Sterbender betrachtet wird. Das könne zu einem wachsenden Misstrauen in das Gesundheitssystem führen. Und natürlich könnten die Menschen denken, dass es letztlich nicht um eine Richtlinie für die beste Behandlung der Sterbenden handelt, sondern um eine, die aus ökonomischen Gründen erfolgt, um Ressourcen (Geld, Personal) nicht zu verschwenden.

Wenn einmal das Behandlungsmodell beschlossen wurde, würden manche Verbesserungen nicht mehr genügend beachtet, rügen die Kritiker. Besonders wenn die Menschen kontinuierlich sediert werden, um ihnen die Schmerzen zu nehmen, könne man kaum mehr erkennen, ob es ihnen eventuell wieder besser geht. Dann hilft man ihnen nicht, sondern beschleunigt das Sterben. Ein Sprecher von Marie Curie räumte ein, dass das Schema manche der \"komplexen Probleme\" nicht allgemein lösen könne. Es sei auch nicht gedacht als Antwort auf alle Fragen, sondern als Schritt in die richtige Richtung, um den besten Umgang mit Sterbenden zu realisieren. Quelle: heise.de


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