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Mehrjährige Haftstrafe für Transplantationsmediziner gefordert (23.02.2010)

Ihm drohen sowohl eine mehrjährige Haftstrafe als auch ein mehrjähriger Entzug der Approbation. Oberstaatsanwalt Hans-Joachim Koch forderte im Plädoyer der Anklage einen Freiheitsentzug von vier Jahren und ein Berufsverbot für drei Jahre. Denn Broelsch habe grob gegen seine ärztlichen Pflichten verstoßen, es fehle ihm offenbar die Einsicht und er könne „auch künftig bereit sein, lebensbedrohliche Situationen von Patienten für sein Gewinnstreben auszunutzen“, sagte Koch in dem dreistündigen Pädoyer der Staatsanwaltschaft.

Koch sprach von einer „Abzocker-Mentalität“. Der Angeklagt habe „jede Bodenhaftung verloren“ und der „beamteten Ärzteschaft großen Schaden zugefügt“. Der Einlassung des Angeklagten, es habe bei den Gesprächen mit Patienten offenbar „Missverständnisse gegeben“, mochte die Staatsanwaltschaft nicht folgen.

Gespräche mit teilweise lebensbedrohlich kranken Patienten seien nach einem „typischen Schema“ verlaufen: Broelsch habe vermittelt, es müsse zeitnah operiert werden, eine solche dringend erforderliche Operation könne nur er machen.

Voraussetzung für eine zeitnahe Operation sei allerdings eine Spende – im allgemeinen zwischen 1.500 und 7.500 Euro pro Patient – die entweder auf ein „Forschungskonto“ überwiesen oder direkt in bar bezahlt wurden. So habe Broelsch mehrfach Briefumschläge mit den entsprechenden Beträgen entgegengenommen, im Schreibtisch deponiert und teilweise nicht versteuert.

Manche Patienten hätten die „Spendenbeträge“ von fünfstelligen Summen auf vierstellige „herunterhandeln müssen“, da sie zur Zahlung solch hoher Summen nicht in der Lage gewesen seien. Der ehemalige Chefarzt habe dies unter anderem damit begründet, dass die eigenen Einkünfte seinen persönlichen Einsatz nicht abdeckten. Diese Behauptung wies Koch mit Hinweis auf das Einkommen des Chefarztes als unbegründet zurück. Die Anklage sieht in einigen Fällen auch den Tatbestand der Nötigung gegeben.

Im Gespräch mit einer privat versicherten Patientin habe Broelsch gesagt, es gebe nun mal eine „Vier-Klassen-Medizin“: Zuerst kämen wohlhabende Patienten an die Reihe, dann Politiker, dann Privatpatienten und schließlich gesetzlich Versicherte.

Unter Zahlung eines vierstelligen Betrages – in diesem Fall 5000 Euro - sei er bereit, von dieser Reihenfolge abzuweichen. Koch hielt dem Angeklagten zugute, dass er die Äußerung der „Vier-Klassen-Medizin“ gegenüber der Patientin später bedauert habe. Die chirurgischen Eingriffe seien im Allgemeinen aber erst nach Zahlung der „Spende“ erfolgt.

Obwohl Patienten nach einer entsprechenden Vereinbarung hätten davon ausgehen können, dass Broelsch selbst operiere, habe er zahlreiche Eingriffe nicht selbst vorgenommen, sondern sich vertreten lassen, teilweise durch Oberärzte, die nicht die legitimierten Stellvertreter gewesen seien. Um gegenüber den Patienten und den Krankenkassen die Chefarzt-Liquidation legitimieren zu können, seien Operationsprotokolle gefälscht worden, indem Broelsch als Operateur genannt wurde, obwohl er nicht selbst operierte und teilweise bereits längerfristig gewusst habe, dass er wegen anderer Termine nicht werde operieren können.

„Patienten und Krankenkassen wurden bewusst getäuscht“, sagte Staatsanwalt Christian Bolik. „Sonst wären die Manipulationen von Operationsprotokollen nicht notwendig gewesen.“ Patienten hätten, auch wenn sie es gewollt hätten, nicht feststellen können, wer sie operiert habe. Der Angeklagte habe sich stattdessen den „Mantel des naiven, vorsatzlosen Chefarztes“ umgehängt.

Der Prozess hatte am 21. September 2009 vor dem Landgericht Essen begonnen. Broelsch wird Bestechlichkeit, besonders schwerer Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Die polizeilichen Ermittlungen hätten ehemalige Patienten in Gang gesetzt, indem sie sich an die Medien gewandt hätten, sagte Koch.

Da die Verteidiger am Montag vor der Wirtschaftsstrafkammer des Essener Landgerichts auf weitere Beweisanträge verzichteten, wird damit gerechnet, dass am 2. März das Plädoyer der Verteidigung gehalten wird, am 12. März könnte es dann das Urteil gesprochen werden. © nsi/aerzteblatt.de


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