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Beate Sorowsky und Klaus Büchner nehmen einen kräftigen Schluck Apfelschorle aus ihren Gläsern. \"Ich muss mich erstmal abkühlen, wir haben uns eben richtig heiß geredet\", entschuldigt sich die Fachärztin für Neurologie aus Meiningen. \"Die Lage ist aber auch ernst\", ergänzt ihr Kollege aus Zella-Mehlis. Gemeinsam mit rund 40 Neurologen, Psychiatern und Nervenärzten aus ganz Thüringen waren die beiden niedergelassenen Fachärzte aus Südthüringen gestern nach Erfurt gefahren, um im Landtag bei der Politik auf ihr Problem hinzuweisen: Das Geld.
\"Nicht, dass der Eindruck entsteht, dass wir am Hungertuch nagen würden, es geht uns darum, dass wir die Arbeit, die wir leisten, auch bezahlt bekommen\", sagt eine der Ärztinnen nach dem Gespräch bei Heike Taubert, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion und einem Vertreter des Sozialministeriums. \"Wenigstens konnten wir unsere Sorgen einmal loswerden und man hat uns versichert, dass man sich unseres Problems annehmen werde\", sagt Konstanze Tinschert, Neurologin aus Jena und Landesvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Nervenärzte.
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Auf Dauer untragbar
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Klaus Büchner wird konkreter, wenn es darum geht, das Problem zu benennen. \"Im Moment mache ich jeden Monat einen Verlust von 3000 Euro. Das ist auf Dauer nicht tragbar.\" Der Grund dafür liegt laut Beate Sorowsky nicht etwa im Unvermögen der Ärzte, sondern hat seine Ursache in der Umgestaltung der Ärztehonorare mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum Jahresbeginn.
Eigentlich soll es den Ärzten damit besser gehen, vor allem in Ostdeutschland. Schließlich sind rund drei Milliarden Euro mehr im System. \"Offensichtlich wird das Geld falsch verteilt\", stellt die Meininger Neurologin nüchtern fest. \"Bei mir kommt es jedenfalls nicht an\", ergänzt Büchner.
Bis Ende vergangenen Jahres hantierten Ärzte bei ihrem Honorar nicht mit Geldbeträgen sondern mit Punktwerten. Für jede Leistung, die sie erbrachten, meldeten sie Punkte an die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen. Das ist die Stelle, die - vereinfacht gesprochen - das Geld von den Krankenkassen einsammelt und an die Ärzte verteilt. Seit diesem Jahr rechnen Ärzte Geldbeträge ab.
\"Was früher ein Punkt war, soll nun in etwa 3,5 Cent entsprechen. Daraus soll sich für uns eine Grundpauschale von rund 31 Euro je Patient und Quartal ergeben\", erklärt Büchner. Doch nicht einmal die will die KV Thüringen im zweiten Quartal bezahlen. Stattdessen sollen nur etwas mehr als 29 Euro je Patient fließen. Eine Entwicklung, die für die Thüringer Nervenärzte völlig überraschend kam. \"Das neue Honorarsystem wurde mit dem Versprechen eingeführt, dass wir schon am Anfang des Quartals wissen, was wir am Ende in etwa rausbekommen werden. Herausgekommen ist allerdings, dass wir im zweiten Quartal nicht einmal mehr die Hälfte dessen kriegen, mit dem wir ins Jahr gestartet sind\", sagt Sorowsky.
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Pauschale gekürzt
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Eine Patientin trägt eine mit zahlreichen Elektroden versehene Haube zur Messung der Hirnströme. Nach Angaben von Neurologen werden viele Patienten von Hausärzten für so ein EEG an sie überwiesen. Doch für nicht einmal 30 Euro im Quartal pro Patient rechne es sich kaum noch, die teure Technik vorzuhalten. Die Thüringer Nervenärzte protestieren daher derzeit gegen die Honorarsituation.
Mit einer Grundpauschale von 65 Euro waren die Neurologen ins Jahr gestartet. Der gesetzlich vorgegebene Grundwert darf überschritten werden, wenn KV und Ärzte zu dem Ergebnis kommen, dass nur mit einem höheren Betrag ein kostendeckender Betrieb einer Arztpraxis zu ermöglichen ist. Im Fall der Neurologen reichte das Geld jedoch schnell nicht aus und wurde für das zweite Jahresviertel zusammengestrichen.
\"Im Ergebnis bekomme ich nicht einmal die Hälfte der Leistungen bezahlt, die ich erbracht habe\", schimpft Büchner und nimmt zur Abkühlung noch einen kräftigen Schluck Apfelschorle. Rein rechnerisch hätte er im ersten Quartal 2009 72 000 Euro von der KV erhalten müssen, denn entsprechend viel hat er gearbeitet. \"Tatsächlich ausbezahlt wurden mir nur rund 28 000 Euro\", berichtet der Neurologe. Keine kleinen Beträge, das räumt er ein, doch seien die monatlichen Fixkosten auch entsprechend hoch. Büchner rechnet vor: Für Praxismiete, Leasing für medizinische Geräte und die Gehälter von Angestellten werden bei ihm an jedem Monatsanfang fast 11 000 Euro abgebucht. Das macht Fixkosten von fast 33 000 Euro im Quartal. Bleibt also ein Fehlbetrag von mindestens 5000 Euro, wenn er die Auszahlung der KV aus dem ersten Quartal zugrunde legt. Im zweiten Quartal werden sich die Verluste vermutlich sogar auf 9000 Euro summieren. \"Bei einem Handwerksbetrieb wäre klar, dass er das nicht lange durchhalten kann und früher oder später Insolvenz anmelden muss, wenn jeden Monat ein Minus in der Kasse bleibt. Warum sollte das bei Ärzten anders sein?\" Büchner selbst fängt das durch zusätzliche Arbeit ab. Nicht in der eigenen Praxis, denn die bekäme er ja nicht vergütet. Der Arzt aus Zella-Mehlis schiebt Notdienste und vertritt Ärzte in Kliniken. \"Es kann aber eigentlich nicht sein, dass ich mir einen Zweitjob suchen muss, um die Behandlung von Kassenpatienten gewährleisten zu können\", sagt Büchner.
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Kaum Optimismus
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Streitigkeiten ums Honorar sind in der Ärzteschaft nicht neu. Vor Jahren schon hatten die Thüringer Schmerztherapeuten aufbegehrt und sich zusammengeschlossen. Mit der stärkeren Lobby setzten sie eine Anhebung ihrer Honorarsätze durch. Büchner und Sorowska hoffen nun, dass ihnen Ähnliches gelingt. Viel Optimismus verbreiten sie aber nicht, wie sie da an ihrem Tisch in der Landtagskantine sitzen. \"Wir sind einfach zu wenige und hinzu kommt, dass wir in drei Ärztegruppen unterteilt sind. Ich hoffe, dass es keinem gelingt, einen Keil zwischen uns zu treiben\", sagt die Meiningerin. Neurologen, Nervenärzte und Psychiater haben in ihrer Patientenschaft zwar große Schnittmengen, doch sie werden geringfügig unterschiedlich honoriert.
Heike Taubert sieht nach dem Gespräch mit den Neurologen jedenfalls Handlungsbedarf. \"Psychiater, Neurologen und Nervenärzte sind in Thüringen nicht gerade breit gestreut, gleichzeitig nimmt der Bedarf zu, deshalb muss jede Praxis betrieben werden und wir können es uns nicht leisten, dass ein Arzt aufgibt\", so Taubert auf Nachfrage. Die SPD-Fraktion wolle nun ihr Bild von der Situation in Gesprächen mit der KV komplettieren und das Problem zudem zum Thema im nächsten Sozialausschuss machen.
Bei der KV gibt man sich durchaus gesprächsbereit. Auch der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen könne zurzeit nur Hochrechnungen zum erreichbaren Umsatz einer Praxis im ersten Quartal 2009 anstellen, versuchte die Vorsitzende, die Meininger Allgemeinmedizinerin Regina Feldmann, im Vorfeld des Krisengespräches im Landtag die Verwerfungen zu entschuldigen. Das endgültige Ergebnis werde erst im Juli 2009 vorliegen. Erst danach könne man definitiv feststellen, welche Ärztegruppen zu den Gewinnern und welche zu den Verlierern des neuen Honorarsystems zählen.
Soweit Neurologen durch die neuen Honorarverteilungsregelungen individuell benachteiligt sein sollten, werde der Vorstand der KV dies selbstverständlich analysieren und gegensteuern. Feldmann verwies auf die bereits bestehende Härtefallregelung, die extreme Honorarverluste auf Grund der neuen Honorarverteilungsregelung im Einzelfall korrigiere. \"Als Vorstandsvorsitzende bedauere ich, dass der große Erfolg für die Thüringer Kassenärzte, der der Honorarangleichung an das West-Niveau, durch zu komplizierte Regelungen des neuen Honorarsystems nicht zu vermitteln ist\", sagte Feldmann auf Nachfrage.
Beate Sorowsky und Klaus Büchner fuhren gestern jedenfalls mit der Hoffnung im Gepäck zurück nach Südthüringen, dass sie mit ihren Sorgen Gehör gefunden haben. Beide haben schon Berufserfahrung als Ärzte an Krankenhäusern. \"Ich hätte sogar aktuell drei Angebote und könnte als Oberarzt anfangen\", sagt Büchner. Trotzdem überwiegen für beide derzeit noch die Vorteile der Selbstständigkeit. Noch.
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