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Warten bis der Arzt kommt (18.04.2009)

An Rhein und Ruhr. Ärztemangel auch im Rettungsdienst: Notärzte und Patientenvertreter warnen vor allem im ländlichen Raum vor Engpässen, Mehrkosten und womöglich lebensbedrohlichen Wartezeiten. Notfallpatienten müssten immer länger auf Rettungskräfte warten, klagt Detlef Blumenberg, Chef der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND). Habe es schon vor fünf Jahren im Bundesdurchschnitt fast elf Minuten gedauert, bis ein Notarzt am Einsatzort angekommen sei, habe sich diese Zeitspanne in den vergangenen Jahren verschlechtert. Neuere Statistiken gibt es nicht. Der negative Trend gehe aber weiter, warnt der BAND-Chef. „Das macht uns Sorgen.”

Immer ein Notfall: der Schlaganfall
Die richtige Adresse ist eine Spezialstation einer Klinik, eine „Stroke Unit”

Gütersloh. Manchmal wird die Notrufnummer 112 unnötig angewählt. Bei einem Schlaganfall sollte sie – wie bei einem Herzinfarkt – immer unverzüglich angerufen werden! Der Hausarzt ist bei einem Verdacht auf einen Schlaganfall nämlich nicht die richtige Adresse. „Der ist in der Regel beschäftigt. Da vergeht zu viel Zeit”, wie Professor Werner Hacke, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, betont.

Bei einem Schlaganfall entscheidet jede Minute darüber, mit welchen Spätfolgen ein Patient künftig zu leben hat. Ein Umstand, der noch zu wenig bekannt ist, wie die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe in Gütersloh berichtet. Nur jeder vierte Patient erreiche in den ersten drei Stunden nach Einsetzen der Symptome eine Klinik. Da jeder Schlaganfall ein Notfall ist, rät Professor Werner Hacke, sofort den Rettungsdienst (112) zu alarmieren und dem Team klarzumachen, dass man in eine Klinik mit einer speziellen Schlaganfallstation, eine sogenannte Stroke Unit, gebracht werden möchte. Die dortigen Experten sind der Garant für eine optimale Behandlung.

Symptome für einen Schlaganfall können Sehstörungen, Sprach- und Sprachverständnisstörungen, Lähmungen, Taubheitsgefühle, Schwindel mit Gangunsicherheit, aber auch ein sehr starker Kopfschmerz sein. Dem Betroffenen sollte man auf keinen Fall Medikamente oder Getränke geben. „Eine durch den Schlaganfall ausgelöste Schluckstörung kann zu schwerem Verschlucken führen”, warnt die Deutsche Schlaganfall-Hilfe.

Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe erreicht man unter 01805/093 093. Internet: www.schlaganfall-hilfe.de

Schuld seien unter anderem ein Mangel an Notärzten auf dem Land, Koordinierungsprobleme in den Leitstellen des Rettungsdienstes und eine Überbelastung der Notfallmediziner durch Einsätze, die auch Sanitäter oder Hausärzte bewältigen könnten. So riefen Patienten durch die Ausdünnung des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes auch bei leichten Beschwerden wie Fieber schnell den Rettungsdienst, so Blumenberg. Auf bis zu 30 Prozent der Notarzt-Einsätze in NRW schätzt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Notärzte in NRW, Frank Riebandt, diese „Fehlerquote” – Juxanrufe inklusive. Von einer alarmierenden Situation will er hierzulande jedoch nicht sprechen. Es gebe organisatorische Probleme bei den Notärzten, kein Sicherstellungsproblem. „In den Städten ist das bundesweit kein Thema – im Unterschied zu ländlichen Gebieten in Bayern oder Ostdeutschland.”

Die Ärztekammern warnen seit Jahren vor einem Notarzt-Mangel. Absolvierten 1996 im Bereich Nordrhein noch knapp 700 Mediziner die für Notärzte notwendige Weiterbildung für die „Fachkundebescheinigung Rettungsdienst”, waren es 2007 nicht einmal halb so viele.
Dramatische Rechnung

Die Rechnung der Ärzte ist so einfach wie dramatisch: Nach einem Herzstillstand sinkt die Möglichkeit, zu überleben, mit jeder Minute um zehn Prozent. Beginnt nicht binnen zehn Minuten eine Wiederbelebung, hat der Patient kaum noch eine Chance. Und auch nach acht Minuten wird es schon eng. In dieser Zeitspanne nach dem Notruf muss nach gängiger Regel in NRW in Städten ein Rettungswagen beim Kranken sein. Auf dem Land dürfen es meist bis zu zwölf Minuten sein. Wann ein Notarzt die Rettungswagen-Besatzung ergänzt, ist nicht festgelegt. Die Sorge ist groß, dass Menschen auf dem Land künftig auf ärztliche Hilfe länger warten müssen. Denn die Zahl der Notarzt-Einsätze steigt und es interessieren sich immer weniger Mediziner für den oft stressigen und eher schlecht entlohnten Dienst am Nächsten.

Sorgen gibt es etwa in Rees – spätestens seitdem nach einem Schlaganfall dort kein örtlicher Notarzt verfügbar war und stattdessen ein Mediziner im gut 20 Kilometer entfernten Emmerich alarmiert werden musste, diskutiert die Politik, ob die Versorgung noch gesichert ist. Neben einem Klinikarzt gibt es in der Kleinstadt zwei niedergelassene Notärzte – und die sind eben nicht ständig verfügbar.

Die örtliche SPD plädiert dafür, wie in anderen Land-Gemeinden freiwillige Feuerwehrleute zu professionellen Ersthelfern auszubilden, um die Wartezeit auf den Notarzt zu überbrücken. Kreis-Sprecher Eduard Großkämper erklärt, dass man den selbst gesetzten Zeitraum – Eintreffen des ersten Helfers in 90 Prozent der Notfälle binnen zwölf Minuten nach Notruf – einhalte. Doch bis der Arzt kommt, heißt es: Warten.
Kooperation mit Nachbar-Kommunen

Auch Paul Stockhausen vom Kreis Wesel verweist auf die Hilfsfrist. Zudem kooperiere man mit den Kreisen Kleve und Borken und der Stadt Duisburg, so der Fachgruppenleiter für Katastrophenschutz und Rettungsdienst. „Im Großen und Ganzen läuft alles zufriedenstellend.” Allerdings gebe es immer mehr Probleme, „Notärzte aus den Krankenhäusern zu bekommen”, so Stockhausen. Dazu sei die Zahl der Einsätze in den vergangenen Jahren gestiegen. Bürger, die etwa am Wochenende den kassenärztlichen Notdienst schlecht erreichten, wählten eben irgendwann den Notruf 112.

Deshalb fordert der Chef der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands, Detlef Blumenberg, alle Anfragen – ob Notfälle oder Einsätze für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst – zentral unter der Notrufnummer 112 zu bündeln. Nötig sei ausreichend qualifiziertes Personal in den Leitstellen, um die Anrufe richtig einzuschätzen.
Notarzt-Vermittlung via Internet

Rettungs-Statistik
Bundesweit täglich rund 25.000 Alarmierungen

Zahlen zum deutschen Rettungswesen sind rar. Die jüngsten Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen stammen von 2004/2005:

- In den deutschen Rettungsleitstellen gehen täglich rund 25 000 Anrufe ein; an Werktagen sind es fast 35 000, sonntags nur knapp 19 000

- Jährlich leistet der öffentliche Rettungsdienst rund 10,2 Millionen Einsätze, 46 Prozent sind Notfalleinsätze (die Hälfte davon mit Notärzten), 54 Prozent Krankentransporte

- Im Bundesdurchschnitt dauerte es im Jahr 2005 10,9 Minuten, bis ein Notarzt am Einsatzort eintraf. 2000/01 lag der Wert noch bei 8,7 Minuten NRZ

Auf den Mediziner-Mangel hat die Internetseite Notarztboerse.de reagiert, über die Kliniken Notärzte als freie Mitarbeiter anwerben können, um ihren Verpflichtungen gegenüber der Kommune nachzukommen. Frank Riebandt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Notärzte in NRW, betont, in NRW seien Kreise und kreisfreie Städte verpflichtet, den Rettungsdienst sicherzustellen.

Ein Thema, das nicht mehr nur auf dem Land, sondern auch in Städten wie Essen aktuell ist, wo man seit Jahren steigende Rettungsdienst-Einsätze verzeichnet. „Früher war die Hemmschwelle größer, den Rettungsdienst zu rufen”, so ein Insider. Dazu nehme die Zahl der zeitaufwändigen „sozialen Notfälle” stetig zu – vom Betrunkenen bis zu Verletzungen nach einem Ehestreit.

Um angesichts der steigenden Zahl oft neuer, kurzfristig angeheuerter Notärzte in den Kliniken im Rettungsdienst ein hohes Qualitätsniveau zu halten, hat Essens Feuerwehr Anfang des Jahres verpflichtende Fortbildungen eingeführt. In den Kursen werden Medizinern etwa die in der Ruhrgebietsstadt gebräuchlichen Beatmungsgeräte erklärt. Nicht, dass jemand im Ernstfall in der Gebrauchsanleitung blättert... NRZ/ddp


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