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MVZ die Wiederentdeckung der Poliklinik (16.04.2009)

Immer mehr Ärzte in Deutschland entscheiden sich gegen eine Einzelpraxis. In den letzen beiden Jahren verdoppelte sich die Zahl der Gesundheitszentren, in denen mehrere Ärzte unter einem Dach arbeiten. Seit der Gesundheitsreform 2004 gibt es sie wieder: Ärztehäuser, die in der Tradition der Polikliniken stehen. Heute heißen sie allerdings Medizinische Versorgungszentren, kurz: MVZ.

Nach der Wende wurden die Polikliniken als DDR-Medizin abgelehnt. Das westdeutsche Modell des selbstständigen niedergelassenen Arztes wurde auch in Ostdeutschland flächendeckend durchgesetzt. Nur wenige Polikliniken blieben erhalten. Dass es aber gut funktioniert, wenn auch die ambulante Versorgung gemeinsam geregelt wird, zeigt der Erfolg der neuen Zentren. 1152 Medizinische Versorgungszentren wurden laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung schon gegründet, bereits 5183 Ärzte versorgen darin ihre Patienten.

Geregelte Arbeitszeiten und geteilte Kosten

Das sei ein gut funktionierendes Modell, meint auch Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. \"Immer mehr Ärzte entscheiden sich für den Zusammenschluss. Es ist für sie kostengünstiger, etwa weil sie sich die teuren Geräte wie Labore und Röntgengeräte teilen können.\" Besonders interessant seien die MVZ für Frauen. \"Der Arztberuf wird weiblicher und viele Frauen wollen gerne in Teilzeit arbeiten.\"

Als Angestellte einer MVZ haben die Ärzte geregelte Arbeitszeiten und ein festes Gehalt, egal ob sie Hausärzte, Internisten, Chirurgen oder Orthopäden sind. Drei Viertel der Ärzte in MVZs sind abhängig beschäftigt, nur ein Viertel ist selbstständig. Ein weiterer Vorteil: Das unternehmerische Risiko fällt weg, niemand muss mehr Schulden aufnehmen, wie das bei einer Niederlassung der Regelfall war.

Riesige Kliniken sind die MVZs zumeist trotzdem nicht. \"Die meisten Versorgungseinheiten bestehen nur aus wenigen Ärzten, es arbeiten häufig vier oder fünf zusammen in einem Haus\", erklärt der Gesundheitsexperte Etgeton. Der Vorteil für die Patienten bestehe darin, dass sie keine weiten Wege hätten und mehrere Arztgänge an einem Tag erledigen könnten. Dies berge jedoch auch die Gefahr der eingeschränkten Wahlfreiheit, weil man von einem Arzt zum nächsten verwiesen werde, ohne sich auswärtig orientieren zu können.

Die Konzentration hat einen weiteren Nachteil: Die Wege zu den Zentren können sehr weit sein. Der Großteil der Medizinischen Versorgungseinheiten befindet sich nämlich in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern. Für den ländlichen Raum ist das Modell weniger attraktiv, die meisten MVZs befinden sich in Berlin sowie Bayerns Ballungsgebieten München und Nürnberg.

Medizinische Unterversorgung auf dem Land ist laut Roland Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung trotzdem nicht zu befürchten. \"Die klassische Einzelpraxis ist nicht tot. Auf den Dörfern und in ländlichen Gebieten bleiben die traditionellen Hausärzte erhalten - die Zusammenschlüsse sind dazu nur eine gute Ergänzung.\"

Ein europaweiter Trend

Die Entwicklung stehe aber erst ganz am Anfang. Stahl erwartet, dass immer mehr Medizinische Versorgungszentren entstehen werden. \"Die jungen Mediziner sind heute viel eher bereit, sich in die Position eines Angestellten zu begeben\", meint er. Das hehre Gebot der Freiberuflichkeit gebe es nicht mehr, die neue Generation habe sich mental verändert.

Übrigens nicht nur in Deutschland. Auch in anderen westeuropäischen Staaten entstünden immer mehr Gemeinschaftspraxen, Praxisgemeinschaften oder Versorgungseinheiten. Besonders viele Zusammenschlüsse von Ärzten gebe es traditionell in den skandinavischen Ländern, wo staatliche Modelle einen hohen Anteil ausmachten. Auch in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion fänden sich viele Ärztehäuser. Dort sei es Normalität, als Arzt nicht freiberuflich zur arbeiten, sondern angestellt zu sein.


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