. .

Erfahren Sie die aktuelle Neuigkeiten

Aktuelle News hier!


Knackpunkt Medizinstudium: Praxisfern, überfüllt und ohne gute Aussicht (17.04.2009)

«Am Beginn des Medizinstudiums steht bei den Meisten die Vorstellung, anderen Menschen zu helfen», sagt Eckhart Hahn, Vorsitzender der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Und obwohl es immer noch mehr Bewerber als Plätze an den Unis gibt, bekommen rund 40 Prozent der Absolventen später keine deutschen Patienten zu Gesicht. «Sie gehen ins Ausland, weil sie dort eine bessere Weiterbildung erwarten oder ergreifen einen anderen Beruf», sagt Hahn.

Dafür ist nach Ansicht des emeritierten Medizinprofessors aus Erlangen vor allem die Praxisferne des Studiums ausschlaggebend. «Nach zwei bis drei Jahren fragen sich viele, ob sie auf den Arztberuf vorbereitet werden oder für eine akademische Laufbahn lernen.» Das deutsche Medizinstudium legt viel Wert auf eine breite Ausbildung – ist aber weit weg von der Praxis, kritisiert Hahn. In den Prüfungen wird «das Wissen abgefragt, aber nicht die Kompetenz, etwas zu tun».

Sechs Jahre und drei Monate dauert das Medizinstudium in Deutschland mindestens. Dabei ist das letzte Jahr als Praxisjahr mit drei verschiedenen Stationen angelegt. «Dort findet zum ersten Mal die Anwendung des Wissens am Patienten statt», sagt Hahn. Seit 2004 erhalten Mediziner dann sofort ihre Approbation als Arzt und den Status eines Assistenzarztes. Die schlecht bezahlte und oft abschreckende Zeit als «Arzt in Praktikum» gibt es nicht mehr.

Doch nicht nur die Praxisferne frustriert viele Studenten. Das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden sei katastrophal, sagt Hahn. Und auch die aktuelle Diskussion um Ärztegehälter und Bürokratie kommt in den Hörsälen an. «Jeder Student, der sich detailierter damit beschäftigt, bekommt einen Schreck.» Viele Angebote, die ein Arzt aus professioneller Sicht machen muss, würden sich nicht rentieren. «Wir können uns nicht verhalten wie ein Ladenbesitzer, der etwas nicht mehr anbietet, bloß weil es sich nicht rechnet.»

Auf ihre prekäre Situation haben Ärzte in den vergangenen Wochen immer wieder hingewiesen. Bundesweit wurde auch heute zu Praxisschließungen aufgerufen. Das Ziel seien eine bessere Vergütung und kalkulierbare Rahmenbedingungen, sagte eine Sprecherin des Ärzteverbandes Medi in Stuttgart. Bei den Ärzten habe die im Januar eingeführte Reform Einbußen von 35 Prozent im Schnitt, in Einzelfällen von bis zu 60 Prozent zur Folge. Praxen seien von der endgültigen Schließung bedroht.

Ein weiteres Problem erwartet Hahn in den kommenden Jahren. «Es findet eindeutig eine Feminisierung statt. Rund 60 Prozent der Absolventen sind heute bereits Frauen», erklärt der Mediziner. Das bringt Reformbedarf in den Kliniken mit sich und könnte dazu führen, dass andere Schwierigkeiten aus dem Praxisalltag in den Mittelpunkt rücken. «Auf diese Veränderung muss die Politik reagieren», fordert Hahn.


Zur News Seite